Krieg kennt keine Moral
Krieg kennt keine Moral. Moral ist nur etwas, was uns von den Medien hingeworfen wird, um uns für eine aktuelle strategische Ausrichtung zu instrumentalisieren. Krieg hat einfache, aus Staaten begründete Ziele. Wir haben die freie Wahl und auch den Einfluss als Zivilbevölkerung, Kriege zu vermeiden, in diese einzusteigen oder diese zu beenden. Unsere eigene Kraft, Kriege zu beenden, ist in diesen Zeiten wichtiger denn je.
Im Folgenden werde ich Dir wesentliche Kriegsursachen vorstellen, wie staatliche Akteure damit umgehen können und was unsere Rolle als Zivilbevölkerung dabei ist.
Konfliktursachen
In einer umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchung von Konflikten "National and International Conflict" (2000) von Pfetsch und Rohloff werden die Ursachen für Konflikte aufgezeigt. Internationale Konflikte haben oft weniger komplexe Ursachen, als angenommen. Viele lassen sich auf die folgenden Faktoren reduzieren:
Grenzstreitigkeiten aufgrund ungeklärter Gebietsansprüche (häufigste Ursache)
Wirtschaftliche und ressourcenbezogene Interessen (hierzu zählen auch klimabedingte Folgen)
Ideologische und machtpolitische Differenzen
Identitätsdifferenzen zwischen sozialen Gruppen
Rivalitäten zwischen Staaten, insbesondere wenn diese um die Vormacht streben
Unterschiedliche Auslegung der Geschichte
Ballung unterschiedlicher ethnischer Gruppen innerhalb desselben Staates, die durch externe Machtverhältnisse in einen Staat gezwungen wurden (Bsp. Israel-Palästina)
Internationale Verträge unter einseitigen Bedingungen. Diese wurden von einer der Konfliktparteien nie nachhaltig in der Gesellschaft anerkannt.
Konflikte / Kriege verschärfen sich bei räumlicher Nähe, insbesondere durch den Zugang zu strategisch und wirtschaftlich bedeutsamen Gebieten.
Allein die Annahme eines Krieges, das zunehmende Wettrüsten, Verschärfen der Rhetorik und steigende Misstrauen steigern schon die Kriegswahrscheinlichkeit. Die Instrumentalisierung der Zivilbevölkerung in diesem Zusammenhang ist von erheblicher Bedeutung zur Kriegsvorbereitung. Ohne deren Mitwirkung kann kein Krieg ausgetragen und langfristig versorgt werden.
Die unzureichende Adressierung als berechtigt empfundener Interessen und ein fortlaufendes Provozieren durch außerstaatliche Eingriffe erhöhen ebenso die Kriegswahrscheinlichkeit.
Ob häufig Kriege entstehen oder aufgelöst werden, hängt weniger von einzelnen Staaten ab, sondern von grundsätzlichen Streitfragen in Regionen, die noch nicht abschließend gelöst sind.
In den vergangenen Jahren gab es nicht die eine Militärmacht, die sich solcherlei Konflikten hingegeben / verursacht hat, sondern viele, in unterschiedlichem Maße. Bedauerlich ist die wachsende Steigerung der Anzahl der internationalen Konflikte.
Wenn wir uns die deutschen Medien zu Beginn des Jahres 2025 anschauen, dann sehe ich leider eine zunehmende Verschärfung der Rhetorik und des Misstrauens. Wenn man die Argumentationskette bis zum Ende denkt, dann kann es einem so vorkommen, als ob wir zunehmend auf einen Krieg vorbereitet werden. Die Art und Weise, wie sich deutsche Parteien momentan mit der Erhöhungen des Rüstungsetats überbieten und die Aufrüstungsfantasien der US-Regierung, lassen tief in eine langfristige interessengesteuerte Überlegung blicken. Oder für uns wird dann ein moralisches Argument aus dem Keller gezogen.
Beendigung von Konflikten
Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich bin generell dafür, dass Konflikte langfristig beigelegt werden. Damit wir zu diesem Punkt kommen, muss es ein von beiden Seiten nachhaltig getragenes Friedensabkommen geben. Dazu ist der Wille von allen Beteiligten erforderlich und muss intern auch auf großes Verständnis stoßen. Das heißt die eigene Bevölkerung und die zivilgesellschaftlichen Institutionen müssen mit starker Mehrheit von den Friedensbedingungen überzeugt sein.
Rufen wir uns noch einmal die Konfliktursachen in Erinnerung, so erkennen wir schnell das eine zunehmende Eskalation einer oder mehrerer dieser Ursachen zunehmend in Frage stellt. Das Ungerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung nimmt zu, Fronten verhärten sich.
Wer nicht auf die Lösung des Krieges mit Verhandlungen aus ist, also für den Sieg der einen oder anderen Partei ist, der wird dann wohl zur Clausewitzschen Logik greifen müssen und eine vollständige Vernichtung des Kampfwillens des Feindes fordern. Dies erfordert nicht selten kaltblütigen Massenmord und führt letztlich zum eigenen Tod, wie Clausewitz in seinem Buch "Vom Kriege" eindrucksvoll demonstriert hat. Er konnte das Buch nie fertig schreiben, weil er an der Front starb. Was Krieg bedeutet, ist also letztlich nicht die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln, sondern ein anhaltender Vernichtungswille des Gegenübers aufgrund einer nicht hinnehmbaren Situation.
Wer auf eine Lösung des Konfliktes aus ist, der wird durch eine Verlängerung des Krieges nur noch höhere Kosten und Aufwände haben, damit eine Befriedung der Zivilgesellschaft möglich wird. Andernfalls erhält man nur einen temporären Frieden. Erste Schritte, die eine friedliche Beilegung von Konflikten einleiten können, sind:
Der Militärische Einsätze von Drittmächten zur Bildung von Pufferzonen
Untersuchungs- und Vermittlungskommissionen
Das ist aber nur denkbar, wenn Territorialansprüche, Machtfragen oder Minderheitenrechte von beiden Seiten auf konsensfähige Lösungen abzielen.
Krieg in der Ukraine
Betrachten wir den Ukraine-Krieg, im Jahr 2025, im Lichte der oben genannten Studien und Bücher, so kommt einem die moralische Verpflichtung, sich auf die eine oder andere Seite im Ukraine-Krieg zu stellen, irritierend vor. Es ist historisch keine übliche Konfliktursache und trägt auch in keiner Weise zur Lösung des Konflikts bei.
Damit wir hier aber zu einer Lösung des Krieges kommen, müssen Angebote gemacht werden, die Russland und die Ukraine zufriedenstellen. Eine Abkehr von der vollständigen territorialen Integrität ist hier wohl der Schlüssel. Nur dadurch sehe ich für die Menschen des Landes die Möglichkeit, sich aus ihrer geschichtlichen Zugehörigkeit zu Russland zu lösen, ohne in einen vollständigen Vernichtungskrieg einzuwilligen.
Russlands Forderungen waren nach 2014 wesentlich geringer, als es diese heute sind. Die Forderungen der Ukraine waren stets alles oder nichts. Alles oder nichts heißt aber, der Clausewitzschen Logik zu folgen, und diese führt zum Tod. Konstruktive Alternativen zu einem fortwährenden Sterben waren die folgenden:
Assoziierungsmodell: Formale Anerkennung der Krim als russisch bei ukrainischer Souveränität über Donbas (analog Hongkong-Prinzip)
Neutralitätsstatus: Ukraine als blockfreier Pufferstaat mit EU-Wirtschaftskooperation ohne NATO-Mitgliedschaft
Kondominium: Gemeinsame Verwaltung strategischer Gebiete (z.B. Asowschen Meer) durch internationale Organisationen
In wie fern wir noch annähernd an diese Situation heran kommen, so dass beide Gesellschaften befriedet sind, hängt auch davon ab, wie lange wir noch das Sterben verlängern wollen. Ich frage mich, wie viele Menschen noch sterben müssen, bis unsere moralische Verpflichtung den Gestorbenen und deren Familien gilt? Und das nicht nur auf ukrainischer Seite, sondern auch auf russischer Seite1.
Persönliche Verpflichtung
Eingangs habe ich auch die Verantwortung der Zivilbevölkerung bemüht. Ich spreche mit vielen Menschen über ernste politische Themen und habe durch diese Gespräche von vielen Friedensaktivisten die Verwunderung wahrgenommen, das sich so wenige aktiv an Demonstrationen oder Aktionen gegen eine weitere Verschärfung des Krieges beteiligen. Sie fragen sich, was ist los? Diese Frage möchte ich an dieser Stelle weitergeben: Was ist los?
Quellen
Chickerung und weitere - A World at Total War (2005)
Gantzel - Die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 bis 1992: Daten und Tendenzen (1997)
Minsk Agreement (2014)
Moghaddam und weitere - Global Conflict Resolution Through Positioning Analysis (2008)
Pfetsch, Rohloff - National and International Conflict (2000)
https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/54569/gewaltsame-konflikte-und-kriege-aktuelle-situation-und-trends/